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Reportage Hoftour

Zuerst haben wir Matthias Görtz auf seinem Milchviehbetrieb am Stadtrand von Bargteheide besucht. Auf dem konventionell betriebenen Hof leben ca. 110 Milchkühe in einem geräumigen Liegeboxenlaufstall. Der Stall ist mit Stroh ausgestreut, die Aufteilung in Liegeplätze in offene Boxen dient der Hygiene. Mit Begeisterung erzählte Matthias Görtz uns von seinem Betrieb und den Tieren, immer offen für interessierte Gäste und Informationsaustausch. Er verfolgt die Philosophie des Gesamtkreislaufs. Das gentechnikfreie Futter für seine Rinder baut er selbst an. Lediglich Reste aus der Lebensmittelproduktion, die als Futter wertvoll sind (zum Beispiel Treber aus der Bierproduktion, Rübenschnitzel von der Zuckerproduktion), kauft er zu.

 

 

Wenn das Wetter es zulässt, genießen die Tiere täglich Weidegang. Die anfallende Gülle kommt als Dünger auf die Felder - es ist nur ungefähr halb so viel, wie laut Düngeverordnung erlaubt ist. Auf den Stalldächern sind Photovoltaikanlagen montiert, die rechnerisch den Strom für den Betrieb erzeugen. Görtz baut so viel Raps an, dass das Öl theoretisch den Treibstoff für den Maschinenpark ergibt. Eine sinnvolle Fruchtfolge auf den Feldern ermöglicht ein Auskommen mit wenig Pflanzenschutzmitteln.

 

Uns fielen die „Iglus“ auf, in denen die junge Kälber stehen, und wir fragen nach dem Grund. Kalben müssen die Kühe, sonst geben sie irgendwann keine Milch mehr. Wir erfahren, dass die Trennung von der Mutterkuh nötig ist, denn belässt man die Kälber bei den Müttern, werden diese aggressiv, wenn sie ihren Nachwuchs in Gefahr wähnen. Außerdem hat man nicht mehr unter Kontrolle, wie viel das Kalb trinkt und kann es schlechter medizinisch versorgen. Die Trennung erfolgt möglichst früh, bevor eine intensive Bindung entsteht, um den Trennungsschmerz so gering wie möglich zu halten. In den „Iglus“ bekommen die Kälber die Milch ihrer Mütter in „Nuckeleimern“ - das ist wichtig für die Gesundheit der Tiere. Wenn die Nabelschnur abgefallen ist, kommen sie aus den Iglus in nach Alter gestaffelte Gruppen.

Ein Problem ergibt sich daraus, dass durch die Notwendigkeit des Kalbens mehr Nachwuchs entsteht, als eigentlich gebraucht wird. Man hat es in den Medien mitbekommen - da werden Kälber für Schleuderpreise abgegeben, weil sie einfach „übrig“ sind. Görtz hat für sich eine Lösung gefunden: Die Milchkühe werden zum Teil mit Samen von Fleischrassen besamt, so dass die Kälber besser ansetzen und dann an die Fleischproduktion gehen.

Zwei mal täglich wird in einem klassischen Melkstand per Melkmaschine gemolken - Handarbeit für den Landwirt und seine Mitarbeiter. Sonntag? Urlaub? Fehlanzeige. Die Milch wird täglich abgeholt und in die Genossenschaftsmeierei gebracht.

Alles gut, so scheint es? „Wenn man sich selbst kein Gehalt auszahlt“, lacht Matthias Görtz mit einem Hauch Bitterkeit. „Man muss Idealist sein. Der Milchpreis ist seit 30 Jahren gleich geblieben.“ Da die Milchwirtschaft kaum etwas abwerfe, hat er mehrere andere Standbeine, um seinen Betrieb aufrecht erhalten zu können. „Schon lange kämpfen wir Bauern für eine faire Bezahlung unserer Produkte“, so Görtz. Auch die derzeitigen EU-Förderungen seien ein Problem. Davon profitieren Großbetriebe, die kleineren werden verdrängt. Qualität und eine umweltverträgliche Produktion blieben auf der Strecke. Durch die Massentierhaltung falle zu viel Gülle für die Flächen an, das gehe zu Lasten der Umwelt. Außerdem drücken in anderen Ländern günstiger produzierte Produkte die Preise. Auch von großen Meiereien kommt Druck. Da werden Preise diktiert und kleine Molkereien verdrängt

Wir fragen, was man politisch tun könnte, um die Situation zu verbessern. „Man muss wissen was man will - wie viel Protektionismus lässt man zu, damit kleine, kreisläufig wirtschaftende Betriebe gut auskommen können“, sagt Görtz. Er hat sich von großen Konzernen stets fern gehalten, weil er frei sein wollte in der Entscheidung, wie er seinen Betrieb führt.

„Milch darf nicht für Preise unterhalb ihrer Produktionskosten verkauft werden“, findet auch seine Frau Meike Görtz. Das gesetzlich zu verankern wäre schon ein großer Schritt. Ungefähr dreißig Cent bekommen die Bauern für den Liter Milch. Das reiche gerade mal, um die laufenden Kosten zu decken.

„Landwirtschaftsbetriebe sind Entwicklungsbetriebe“, erklärt Görz, und Entwicklungen brauche Zeit. Er sehe aber in den letzten 10, 20 Jahren auch in den konventionellen Betrieben eine immer größer werdende Bereitschaft, sich hin zu mehr Naturschutz und Tierwohl zu entwickeln.

Wir bedanken uns für die spannende Führung und radeln zum Biohof von Hauke Ruge am Ortsausgang Bargteheide Richtung Jersbek. Zum Hof gehört auch ein kleiner Laden, in dem man neben frischer Milch auch Kartoffeln, Eier und hin und wieder Honig kaufen kann.

Der junge Landwirt führt uns mit dem kleinen Sohn an der Hand über das Hofgelände. Seit 10 Generationen hat die Familie den Bauernhof, Ruge hält Milchkühe und Hühner. Auf den ersten Blick sieht es ähnlich aus wie bei Görtz. Die Kühe leben ebenfalls in einem Liegeboxenlaufstall, haben jedoch jederzeit Weidegang. Nur bei sehr schlechtem Wetter, wenn die Weide matschig ist, werde sie gesperrt. Auch Ruge baut das Futter überwiegend selbst an – natürlich biologisch. Statt chemischem Pflanzenschutz kommt Fruchtfolge und Unterpflanzung zum Einsatz. Wir fragen nach der Kälberhaltung und Ruge bestätigt, dass die Mutterkuhhaltung einige Probleme mit sich bringt - er betreibt Ammenhaltung. Einige Kühe werden als Ammen mit den Kälbern auf die Weide gestellt. Sie säugen den Nachwuchs zwar, verteidigen ihn aber nicht so vehement wie die eigene Mutterkuh. Ein guter Kompromiss, finden wir.

Auf dem Hof Ruge gibt es einen Melkroboter. „Die Kühe lernen, selbständig in den Melkstand zu gehen, weil da leckeres Lupinenfutter lockt“, erklärt der Landwirt „Der Roboter erkennt die einzelnen Kühe an einem Senderhalsband. Sogar die individuelle Euteranatomie ist einprogrammiert, der Roboter melkt die Kühe ganz nach ihrem Bedarf und selbständig. Wenn irgendetwas nicht funktioniert, bekommt Ruge eine Nachricht aufs Smartphone. Das macht zeitlich unabhängiger - allerdings muss er dann auch jederzeit springen, wenn mal etwas schief läuft. Da es keinen so festen Rhythmus gibt, kann das auch mal mitten in der Nacht sein.

Nach den Kühen besuchten wir die Hühner. 300 Legehennen leben freilaufend auf dem Hof und ziehen mit ihrem Hühnermobil in regelmäßigen Abständen auf dem Grundstück um, damit kein Bereich überweidet oder zertreten wird. Fünf Hähne bewachen den Hühnertrupp. Die muntere Schar sieht quietschfidel und top gesund aus. Sie kommt gespannt an den Zaun gerannt, als der Landwirt sich mit einem vielversprechenden Eimer nähert. Ruge zeigt uns den mobilen Hühnerstall. Nachts setzen sich die Tiere artig auf die Stangen. Die Tür schließt automatisch - ein Schutz vor Fuchs und Marder. Im Untergeschoss des Wagens sind die Legenester, aus denen die Familie Ruge täglich die Eier absammelt. Einmal im Jahr wird die Hühnerschar geschlachtet und durch eine neue ersetzt, so bleibt die Legeleistung hoch. Das Fleisch wird ebenfalls direkt vermarktet.

Zuletzt machen wir noch einen Spaziergang entlang der Felder. Ruge ist mit seiner Anbaumethode sehr zufrieden. „Viele Probleme, wie Pilzkrankheiten, die dann wieder mit chemischem Pflanzenschutz bekämpft werden, sind erst durch Überdüngung entstanden“, meint er. Ein ausgeglichenes Verhältnis von Fruchtfolge, Düngung und Ertrag lasse die Pflanzen auch ohne Giftspritze gut wachsen. Der Ertrag ist nicht ganz so hoch - dafür kommt er mit gutem Gewissen. Groß im Kommen sind auch hierzulande Hülsenfrüchte - Ackerbohnen zum Beispiel, die statt Gensoja aus Amerika hier auf den Feldern zu Tierfutter heranwachsen.

Wir sprachen mit Ruge auch über die Agrarreform. „Prämien erhalten bedeutet auch, kontrolliert zu werden“, erklärt er. Es gebe eng gefasste Vorschriften, die die Abläufe kompliziert machen. Wollte Ruge zum Beispiel die Bioeier in einem normalen Geschäft verkaufen, müsste er Vorgaben einhalten, die das Ganze nicht mehr rentabel machen - daher sei er in die Direktvermarktung gegangen und damit sehr zufrieden. „Es läuft gut“, findet er. Aber auch er denkt, es braucht grundsätzlich einen Systemwechsel. „Wir wollen ja gar nicht für unsere Fläche Prämien bekommen, sondern für unsere Produkte anständig bezahlt werden.“

Weniger Export, weniger Preisdruck durch Konkurrenz aus anderen Ländern, in denen die Auflagen vielleicht nicht so hoch sind, und hier im Inland flexiblere Regularien, das würde den Landwirten helfen.

Wir sind beeindruckt davon, wie die Landwirte in unserer Umgebung arbeiten - es geht doch! So kann und so sollte Landwirtschaft funktionieren. Im nächsten Jahr wollen wir die Tour auf jeden Fall in größerer Runde nachholen.

 

 

 

 

 

 

 



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